Achtung! Dieser Film ist nicht für dieses Jahr geplant, es wurde während des 2018 programmiert.
Synopsis
Pabst ist in den trüben Gewässern der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts geschwommen, und versuchte in den Kinobildern nach Luft zu schnappen, um nicht in den trostlosen Wellen der wirtschaftlichen und politischen Situation unterzugehen. Er ließ sich bis in die Tiefen der Menschlichkeit gleiten, um überaus extreme Erfahrungen wie beispielsweise den Krieg in WESTFRONT 1918 aufzugreifen, die Ausbeutung der Arbeiterklasse in KAMERADSCHAFT, die Prostitution in TAGEBUCH EINER VERLORENEN und die patriarchalen Bedrohungen in DIE BÜCHSE DER PANDORA – in einer von Eigensinn bestimmten Versuchung eine Perle voller Hoffnung für die Menschheit aufzufinden.
Hin- und hergerissen zwischen dem Expressionismus in DER SCHATZ – sein erster Film in 1923 – und dem sozialen Realismus seiner späteren Werke, als Zeuge und Akteur des Übergangs vom Stumm- zum Tonfilm, sah sich Pabst von Hitlers Aufstieg an die Macht erschüttert. Als aktivistischer Mitstreiter der humanen und sozialen Emanzipierung, als Anhänger, sowohl der kommunistischen als auch sozialistischen Bewegung, und als Unterstützer der von der Psychoanalyse geförderten Erkenntnisse (GEHEIMNISSE EINER SEELE in 1926), verliert der Cineast bald seine Hoffnungen. Er gibt sich geschlagen und unterwirft sich der wienerischen Nazi-Flagge, wo er einige zweitrangige Filme dreht ohne dass diese in der Form eine wahre Zuneigung zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringen. Nur am Ende des Krieges, als er u.a. DER PROZESS (1947) und DER LETZTE AKT (1955) drehte, stellte er sich deutlich – vielleicht aus Opportunismus – gegen den Antisemitismus und den Nazismus.
Dennoch hatte Pabst sich einen Namen in der Filmwelt mit seiner humanistischen Ausdrucksform gemacht, die er insbesondere während des Ersten Weltkrieges und anschließend während der Oktoberrevolution in 1917 entwickelte. Auch die emanzipatorischen Ideen, die mit der Psychoanalyse begannen, inspirierten ihn, weshalb insbesondere seine von 1920 bis 1930 gedrehten Filme davon geprägt sind (von denen die Repräsentativsten gerade restauriert worden sind und nun im Rahmen dieser Retrospektive vorgeführt werden).
Pabst bringt im Dunkeln soziale Situationen von menschlichen Figuren zum Vorschein, die er mit einer Würde versieht, die damals von der herrschenden Ideologie verweigert wurde. So lassen sich Jeanne und Andreas in DIE LIEBE DER JEANNE NEY trotz der sozialen Hindernisse auf eine liebevolle Treue ein, die arme LOULOU versucht tapfer den moralischen und polizeilichen Verfolgungen und Gewalttätigkeiten einer Gesellschaft zu überstehen – die ihr nicht nur einen unverschuldeten Mord zur Last legt, sondern auch ihre Freiheit und ihre Unabhängigkeit –, Thymian in TAGEBUCH EINER VERLORENEN widersetzt sich mehr schlecht als recht der Gewalt der männlichen Gesellschaft, die VIER AUS DER INFANTERIE bemühen sich inmitten der Schützengraben ihr Leben weiterzuführen und ihren Wünschen nachzukommen und in KAMERADSCHAFT kämpfen die französischen und deutschen Bergarbeiter gegen das Grubengas, während sie jedes Mal aufs Neue versuchen die Kameradschaft und die Solidarität neu zu erfinden.
Da die Gefühle der Zuschauer gegenüber der Vernunft an erster Stelle stehen (was sich bei Pabsts Verfilmung des Werkes DIE DREIGROSCHENOPER von Brecht als Grund der Auseinandersetzung zwischen den beiden Künstlern erwies), sah sich sein filmisches Werk mit der Zensur konfrontiert, der emotionalen und gefühlsbedingten Hilflosigkeit gegenüber den Todesmaschinen des Kapitalismus und des Nationalsozialismus und womöglich mit der Hoffnungslosigkeit die Pabst selbst verspürte – derart wurden seine Filme von den unumgänglichen Bedrohungen durchdrungen.