Édito
Ehrengast unserer 15. Ausgabe ist Christian Petzold. Christian Petzold, prägende Gestalt des deutschen Kinos, unersättlicher Filmfreund und Leitfigur der Berliner Schule, gilt weltweit als der deutsche Vertreter des Autorenfilms. Dessen Fahnenträgerin ist Nina Hoss, seine Schauspielerin und Muse. Mit einer Auswahl von zehn Filmen laden wir den Zuschauer ein, sich auf Petzolds Welt einzulassen, die beherrscht wird von Identitätsverlust und Rekonstruktion seiner Protagonisten, aber auch des wiedervereinigten Deutschlands, das mit voller Wucht von den Folgen einer hemmungslosen kapitalistischen Lebensweise getroffen wird. Christian Petzold wird im Kino anwesend sein und uns in einem Publikumsgespräch von seinem Weg, von den Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat, und von seinen Inspirationen erzählen. Das sollten Sie nicht verpassen!
25 km/h, eine Art Easy Rider auf dem Moped, der Erfolg des Jahres in Deutschland (850 000 Besucher), eröffnet den Wettbewerb. Nicht versäumen! Die Schauspielerin Helena Zengel, deren blaue Augen uns schon in Die Tochter aus der Fassung gebracht haben, überwältigt den Zuschauer als Benni in Systemsprenger, dem deutschen Oscar-Kandidaten. Eine erstaunliche darstellerische Leistung liefert auch die Österreicherin Valerie Pachner ab, die in Der Boden unter den Füßen eine brillante Unternehmensberaterin am Rande des Nervenzusammenbruchs spielt. Drei junge Regisseure stellen ihre Filme dem Publikum vor: Oray, ein Eintauchen in eine islamisch-türkische Gemeinschaft in Deutschland, Frau Stern, der mit viel Poesie und Schalkhaftigkeit das Porträt einer alten Frau zeigt, die entschlossen ist, den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen, und schließlich Der Geburtstag, in dem das nächtliche Umherirren eines Vaters Züge des Film Noir annimmt.
Der Fall der Berliner Mauer: 30 Jahre!
In diesem Monat des Feierns erinnern wir uns gern an die Anekdote, wonach es eine live im Fernsehen gezeigte Verwechslung war, die den Fall der Berliner Mauer am 9. September 1989 beschleunigte. Franziska Meletzky, die Regisseurin von Vorwärts Immer!, hat sich des Durcheinanders bemächtigt und diesen Schlüsselmoment der deutschen und europäischen Geschichte köstlich auf die Schippe genommen. Unser Programm geht auf vielfältige Weise, sowohl mit Spielfilmen wie mit Dokumentarfilmen, auf dieses Ereignis ein. Ballon erzählt die unglaubliche Geschichte zweier Familien, die in einem Heißluftballon von Ost nach West geflüchtet sind. In Meeting Gorbachev führt Regisseur Werner Herzog ein langes Gespräch mit dem politischen Genie, dem wir den unerwarteten friedlichen Ausgang dieses Konflikts verdanken. Der Dokumentarfilm Heimat ist ein Raum aus Zeit, ein wundervolles Familienfresko von Thomas Heise, schildert das Leid und die lange Trennung der beiden Deutschlands anhand der Intimität der über mehrere Generationen hinweg gewechselten Briefe. Mauerhase wiederum ist aus der überraschenden Perspektive der Bewohner des Geländes der Berliner Mauer erzählt: der Kaninchen.
Für die Augen der Zuschauer sind sie unsichtbar, und doch sind sie unser größtes Publikum: Während des Festivals wimmelt es in den elsässischen Kinos von Kindern und Schülern zwischen 3 und 18 Jahren, die in Begleitung ihrer Erzieher und Lehrer das deutschsprachige Kino entdecken. In diesem Jahr laden wir sie zu einer Begegnung mit den Künstlern ein: Sarah Winkenstette mit ihrem Film Zu weit weg und Claus Räfle, der seine Dokufiktion Die Unsichtbaren vorstellt. Es ist uns eine Ehre, zusammen mit ihm Hanni Lévy zu begrüßen, deren Geschichte den Film inspiriert hat und die von den Jahren im Untergrund im „judenfreien“ Berlin unter der Nazi-Verwaltung berichten wird.
Augenblick, das ist auch ein Abend über die Elektro-Nächte von Berlin, das Märchen von Aschenputtel, neu erzählt auf Aserbaidschanischer Art, und ein Programm für das junge Publikum, in dem die neue Kurzfilmreihe Der verliebte Maulwurf und andere kleine Geschichten die Kleinsten begeistern wird.
Beschließen werden wir in diesem Jahr das Festival mit einer unbekümmerten musikalischen Note. Drei virtuose Musiker aus der Region werfen einen neuen Blick auf Menschen am Sonntag in der restaurierten Fassung, den spätere Hollywoodgrößen noch als Amateure gegen Ende der Stummfilmära gedreht hatten.
Wir wünschen allen ein gutes Festival!