Gleich mit seinem ersten Film Der junge Törless (1966) avancierte Volker Schlöndorff mit sechsundzwanzig Jahren zu einem der wichtigsten Vertreter des „Neuen Deutschen Films“.
Der große Verehrer der französischen Filmkunst weckte zugleich die Erinnerung an die großen deutschen Kinoklassiker von vor 1933 – Lang, Murnau, Lubitsch – und brachte deren Tradition zurück in sein Heimatland. Schlöndorff spricht mehrere Sprachen und erkundete die Welt auf zahlreichen Reisen. Insgesamt hat er etwa 30 Filme gedreht, von denen manche in Deutschland große Erfolge feiern konnten (Die verlorene Ehre der Katharina Blum, 1975), andere auch weltweit (Die Blechtrommel, Oscar 1980). Schlöndorff galt lange Zeit als „reiner Regisseur“ und nicht als „Schöpfer“. Diese Katalogisierung wurde bekräftigt durch zahlreiche Literaturadaptionen innerhalb seiner Filmografie: von Robert Musil bis Heinrich Böll und Günter Grass über Bertolt Brecht, Arthur Miller, Marcel Proust, Max Frisch… Erst allmählich erkannte man, dass ein wahrer Filmautor am Werk war und Werke wie Törless, Mord und Totschlag (1967), Der Fangschuss (1976), Die Stille nach dem Schuss (2000), Rückkehr nach Montauk (2017) einen gemeinsamen Stil aufwiesen.
Zunächst als politisch bewusster, engagierter Bürger und Aktivist, der die Wunden der Geschichte kennt, und später als schlichter und weitsichtiger Zeitzeuge, beschreibt Volker Schlöndorff in seinen Filmen, wie Menschen die Privilegien ihrer Klasse und ihres Geschlechts ausnutzen, um andere zu unterdrücken. Ihre T hemen sind großenteils in unserer Zeit angesiedelt oder verweisen auf sie: Vorboten des Nationalsozialismus (Törless), Dunkelzonen der Vergangenheit (Der Fangschuss), die Zerstörung eines Landes (Die Fälschung, 1980), die geheime Absprache der Polizei mit der Skandalpresse (Katharina Blum), der Untergang der sogenannten sozialistischen Länder (Rita Vogt) und immer wieder die Versuchung der Gewalt.
© Ann Ray
Bernard Eisenschitz